Beratungen, Zürich & Chur
1970
Meine erste Ausbildung war die zum Volksschullehrer. Endlich abgeschlossen, glaubte ich, dass dies nun der Beruf für`s Leben wäre – mein Vater hatte mir das vorher auch so versichert und ich hatte ihm gern geglaubt. Doch zwei Jahre später als Oberstufenlehrer war klar: Ich wollte noch mehr wissen vom Leben, von der grossen weiten Welt, die damals –1970 – so gründlich im Umbruch war. Seither bin ich am Lernen. Am Lernen, all die spannenden, herausfordernden, interessanten, manchmal auch schwierigen und schmerzlichen Veränderungen persönlicher, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und technischer Art zu bewältigen oder auch mal daran zu scheitern. Nicht zuletzt lerne ich von meinen Klientinnen und Klienten immer wieder aufs Neue, wie man erfinderisch, mutig und klug, ausdauernd und differenziert mit all diesen Veränderungen umgehen kann.
1975
Fünf Jahre später schloss ich mein Studium in Arbeits-/Organisationspsychologie und Klinischer Psychologie an der Universität Zürich ab und arbeitete danach viele Jahre als Dozent in der Lehrerinnen+Lehrerausbildung. So lernte ich das Leben innerhalb von Institutionen gründlich kennen. 2001 machte ich mich beruflich völlig selbständig – und geniesse das bis heute. Berufsbegleitend bildete ich mich weiter und wurde zum Psychotherapeut gestalttherapeutischer Richtung. Zusätzliche Fortbildungen in Systemischer Therapie, NLP, Klinischer Hypnose, Körpertherapie, Arbeit am Tonfeld, Jungscher Psychologie, Provokativer Therapie erweiterten Horizont und Werkzeugkoffer.
1983
1983 eröffnete ich meine psychotherapeutische Praxis in Chur – 1987 wurde es amtlich: Ich erhielt die Kantonale Bewilligung als Psychotherapeut. Die Praxis gibt es bis heute. Auch im Bereich der Unternehmensentwicklung lernte ich in dieser Zeit immer mehr: Ausbildungen als Gruppenleiter/Supervisor nach der Methode der Themenzentrierten Interaktion und als systemischer Organisationsberater bildeten in den Achtzigerjahren die Basis für meine Karriere als Supervisor, Führungs- und Teamcoach, Organisationsentwickler und Unternehmensberater.
1995
Von 1995 bis 2001 durfte ich jedes Jahr am M.I.T., Boston eine ausführliche Fortbildung bei den Klassenbesten der Organisationsentwickler geniessen. Schein, Kantor, Dannemiller, Hirschhorn, Lippitt, Fritz – sie alle haben meine Beratertätigkeit bereichert und befruchtet. Mit lic. oec. Markus Stamm, Feldafing, München verband mich zwischen 1994 und 2017 eine enge Kooperation. Wir begleiteten zusammen viele Geschäftsleitungen und Führungsteams grosser Firmen in der Schweiz und in Deutschland in unternehmensweiten, komplexen, langjährigen, Veränderungsprozessen. Zwischen 1984 und 2003 war ich als Lehrcoach und Ausbildner in Organisationsentwickler- und Coachingausbildungen am damaligen Institut für Angewandte Psychologie Zürich, bei TRIAS (Dr. Fatzer) und der Berner Fachhochschule tätig.
2004
2004 bis 2009 leitete ich den Nachdiplomkurs Führen im Wandel: Die Führungskraft als Coach an der Hochschule für Informatik und Technik, Biel. 2004 bis 2008 unterrichtete ich im MBA-Lehrgang der LIMAK, Universität Linz, den Bereich Soziale und Interkulturelle Kompetenz Und zum Ende eine Geschichte rund um Geschichten. In den Achtzigerjahren erzählte ich meinen beiden Söhnen viele selbst erfundene Geschichten. Das führte zum Schreiben einiger Kinderbücher: Violetto, Anna-Alexander und Z wie Zylinderfrack sind im Octopus Verlag erschienen. Und auch für die SJW-Hefte erfand ich Geschichten. Das Interesse für die Arbeit an und mit Geschichten begleitet mich seither. Ich leitete Schreibwerkstätten für Kinder und Erwachsene und setze hilfreiche Geschichten in Therapie und Beratung ein. Aus all diesen Erfahrungen entstand das Geschichten-erfinden-und-schreiben-Buch Geschichten sind überall, Octopus Verlag, Chur, 1990.
2018
Meine Freude an den Geschichten, die im Leben der Menschen und in Unternehmen erfunden, erzählt und weiterentwickelt werden, ist geblieben. Gute, sprich gelungene Veränderungsprozesse (und die dazugehörige Beratung) sind Geschichten, in denen wahrhaftig Transformation geschieht. Dass eine neue Generation von Beraterinnen und Beratern die uralte Kunst des Erfindens und Erzählens von Geschichten unter dem neuen Label Storytelling, wieder unter die Leute bringt, gefällt mir! Andri, einer meiner Söhne, gehört dazu – ZENSE lässt grüssen.
2024
6 Jahre sind seit meinem letzten Eintrag vergangen…Corona haben wir, habe ich überstanden – nein, nicht bloss überstanden, sondern in vielerlei Hinsicht als sehr lehrreich erfahren und erlebt. Zum einen hat mich die oft notwendige Arbeit per Video und Telefon zu einem noch stärkeren Befürworter der Face-to-Face-Beratung gemacht – und mich gleichzeitig mit Situationen versöhnt, in denen die medienvermittelte Beratung die einzig machbare und hilfreiche Lösung ist. Ausserdem hat mich die erschreckende Begegnung mit Verschwörungstheoretikern und ihren absurden Geschichten daran erinnert, wie wichtig die sorgfältige Prüfung und Berücksichtigung wissenschaftlicher Fakten ist. In vier Bereichen habe ich mich in den letzten Jahren besonders intensiv mit der Weiterentwicklung meiner Beratungstätigkeit befasst: 1. In mehreren Organisationen habe ich das Konzept eines Einführungscoachings für neue Führungskräfte initiiert und umgesetzt. Dabei wird die Einführungsphase neuer Führungskräfte intern (durch die Vorgesetzten) und extern (durch einen Führungscoach) koordiniert sowie systematisch und zielorientiert begleitet. 2. Im Bereich der Paartherapie habe ich mein Methodenspektrum um den Einsatz von Videoaufzeichnungen des Paardialogs erweitert. Die Reflexion des eigenen Kommunikationsverhaltens erweist sich als sehr effektives Mittel, um hilfreiche Veränderungen im Gespräch zwischen den Partnern in Gang zu setzen. 3. In enger Zusammenarbeit mit dem Reha-Management des Kantons Graubünden und einer renommierten Rehaklinik durfte ich Patientinnen und Patienten mit der Diagnose Burnout begleiten. Die Betroffenen gehen einen (quälend) langen Weg bis zur Wiedererlangung einer nachhaltigen Leistungsfähigkeit und erleben dabei neben grosser Erschöpfung oft auch fassungslose Verzweiflung über den Leistungszusammenbruch. Wer heute noch mit verächtlichem Unterton behauptet, Burnout sei eine lukrative Modediagnose, hat die diagnostischen und therapeutischen Entwicklungen der letzten Jahre nicht mitbekommen - und versäumt es, sich differenziert an der aktuellen Diskussion um den individuellen und gesellschaftlichen Umgang mit «Leistung» zu beteiligen. Was in diesem Zusammenhang in meiner Schublade schlummert, sind Entwürfe für organisationsweite Burnout-Prophylaxe-Programme. Im Nachhinein stellt sich meist heraus, dass sich ein Burnout schon seit Monaten, wenn nicht Jahren angekündigt hat. Gleichzeitig würden sich die meisten Kandidaten für eine Erschöpfungsdepression lautstark dagegen wehren, als potenzielle Burnoutler geoutet zu werden: «Ich doch nicht!» Mit anderen Worten: Das Patentrezept habe ich auch 2024 noch nicht gefunden. Aber ich setze mich weiter dafür ein, dass sich die (absehbar) Betroffenen mehr auf sich selbst als auf alle anderen konzentrieren können. 4. In den letzten Jahren hatte ich zunehmend Gelegenheit, junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren bei der Reflexion und Planung ihrer beruflichen Laufbahn zu beraten. Diese Begegnungen haben meinen Blick und mein Verständnis für die spezifischen Probleme und Lösungen der heutigen «Beginners» sowie für ihr soziales, philosophisches und politisches Umfeld verändert und geschärft. Sie ermöglichten mir den Zugang zu neuen, unkonventionellen Formen der Karriereberatung – eine Bereicherung für beide Seiten. Und, Ente gut, Gans gut:Meine beiden Söhne haben in den vergangenen Jahren ihre Erfolgs-Geschichten weitergeschrieben: 2022 ist ihr Erstling aus dem Jahr 2017, «REFRAME IT! 47 Werkzeuge und ein Modell, mit denen Sie Komplexität meistern», in einer überarbeiteten und um fünf Kapitel erweiterten Neuauflage erschienen. Ebenfalls 2022 erschien «CHANGE IT! 21 kreative Anstiftungen, die ganze Welt, jede Organisation und sogar sich selbst zu verändern». 2020 schufen Andri und ich das Bilderbuch «Eigentlich wär ich lieber, bin ich eigentlich, ja bin ich längst ein Huhn!» - war einfach ein grosser Spass für uns beide. Übrigens: Wer das Buch aufmerksam liest, wird bemerken, dass wir Veränderungen zwar in den meisten Fällen für notwendig und hilfreich halten, … … es aber auch Fälle gibt, in denen man (oder frau oder kind) einfach bleiben darf, wie er/sie/es ist – oder etwa nicht? Ob ich 2030 noch gleicher Meinung sein werde?
© Peter Hinnen 2024